AN ALLE LESER!
DIES IST KEIN WERBETEXT FÜR DIE KölnerVerkehrsBetriebe, SONDERN EIN BRIEF AN EINEN ARBEITSKOLLEGEN (Sendeleiter bei der SPORTTOTAL AG in Köln-Ossendorf | sporttotal.com).
Hallo Alex,
nach meinem gestrigen Zuspätkommen möchte ich mich hiermit entschuldigen. Ganz besonders, falls dies zum nervös werden der anderen Beteiligten im Sendestudio geführt hat. Weil eine Sendung ohne Ton zu übertragen macht ja überhaupt keinen Sinn, bzw. am Schluss hättest Du den Ton geregelt und nebenher auch noch die Sendung leiten müssen.
Bedanken möchte ich mich dafür, dass ich gleich bei meinem ersten Einsatz das Spiel in der Max-Schmeling Halle in Berlin abmischen durfte. Das war eine tolle Herausforderung!
Mein erster genereller Eindruck war, dass die Athmo-Mikrofone, gerade in einer solch enormen Halle mit diesem großen Publikum, oftmals so laut sind, dass man den Kommentator kaum noch hören kann. Das abzumischen und hinzubekommen, da freu ich mich in Zukunft schon drauf!
Obwohl es echt schlimm war, dass ich gleich beim ersten Mal zu spät gekommen bin. Das zermürbt mich immer noch. Der Bildmischer hat ja auch gleich angemerkt: „Beim ersten Einsatz könnte man auch pünktlich sein“. So eine Kritik geht in Ordnung und das muss man einstecken. Ich habe ihm dann was von Geisterzügen erzählt die auf der Anzeigetafel der KVB verschwinden. Er hat genickt: „Na klar die KVB, das sagen alle die zu spät kommen“. Ich weiß nicht, ich glaube Du warst in dem Augenblick mit etwas anderem beschäftigt. Irgendwie hatte ich das Gefühl in einer Zwickmühle zu stecken und habe mich dann ohne verbale Gegenwehr schweigend zum Arbeitsplatz begeben.
Als meine Reise nach Ossendorf am Wiener Platz begann, die ersten Kilometer hatte ich mit dem Fahrrad bereits hinter mich gebracht, habe ich auf dem Bahnsteig den Ali aus Marokko getroffen, super Typ. Er kocht an Kölner Grundschulen z.B. riesige Mengen an Reibekuchen mit Apfelmus, so lecker, dass sich die Schüler danach die Finger lecken, wie er sagt. Das glaube ich ihm. Sein Couscous gelingt ihm mindestens genauso gut. Den habe ich schon mal probieren dürfen.
Die Zeit verging und ich habe mich gefragt, was mit der Linie 13 wohl los sein könnte, weil die angezeigten 3 Minuten schon längst vorbei waren. Irgendwann meinte Ali nur, „ja, sind halt die KVB – Kommt-Vielleicht-Bald. So ist Köln.“ Das war der Moment als ich dachte, dass ich mich jetzt bloß nicht stressen lassen sollte.
Es kann sein, dass vielleicht noch eine Linie 13 gekommen wäre, oder eine Linie 18 als Alternative bis zum Ebertplatz. Von da, habe ich gedacht, hätte ich umsteigen können, um dann zum Friesenplatz zu fahren. Dort verläuft die Linie 5 Richtung Ossendorf. Nur zur Info, solange wohnst Du glaube ich noch nicht in Köln.
Der Menschenanteil auf dem Bahnsteig am Wiener Platz hat immer mehr zugenommen. Die seit mindestens 30 Minuten angeschriebene Linie 13, die eigentlich in 3 Minuten hätte kommen sollen, verschwand tatsächlich wie von Geisterhand von der Anzeigetafel und die Linie 18 rückte nach. Irgendwann rutschte ein Ticker auf der Tafel herein. Es gab in Holweide wohl eine technische Störung. Ich ahnte nichts Gutes. Auch die Linie 18 schien ein Problem zu haben.
Im Leben muss man Entscheidungen treffen. Mein Fahrrad stand oben am Wiener Platz.
Wien – eine tolle Stadt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln läuft es da wie geschmiert. Länger als ein paar Minuten wartet da keiner. Und deswegen geht der Preis, sogar noch günstiger im Vergleich zu den „Kommt-Vielleicht-Bald“ Zügen in Köln, mehr als in Ordnung.
Also bin ich mit dem Fahrrad Richtung Ebertplatz über die Mülheimer Brücke losgebrettert.
Für Anfang Mai war es schon verdammt heiß und die Sonne hat meinen Körper unter der Windjacke die nicht wirklich so luftdurchlässig war, wie ich mir das vorgestellt hatte, ganz schön ausgebrütet. Jetzt würde ich im engen Sendestudio auch noch vor mich hin stinken. „Die armen Kollegen“, hab ich gedacht, und fast gleichzeitig, „o.k. so fühlt sich also Stress an“; schnell am Ebertplatz nach unten und auf das benachbarte Gleis gesprungen und tatsächlich direkt noch eine Bahn erwischt. Ich bin dann samt Fahrrad inklusive doppeltem Fahrpreis für das Rad, was gesondert berechnet wird bei den KVB, Richtung Friesenplatz gefahren.
Wie es sich zeigen sollte war es sehr gut, dass ich das Fahrrad nicht am Ebertplatz abgestellt, sondern mitgenommen habe. Ali‘s Worte hatte ich ja noch im Ohr. Am Friesenplatz ging die Rolltreppe nicht, also nahm ich das Fahrrad unter die Arme, hechtete die Treppe hinunter. Der Schweiß am Rücken, der gerade dabei war mein T-Shirt zu durchnässen war deutlich fühlbar in der Zugluft im Untergrund. Nur damit ich dann ungläubig auf der Anzeigetafel zu lesen bekam: „Linie 5 – Technische Störung im Bereich Hans-Böckler-Platz“.
Ich nehme mal an du weißt, dass der Hans-Böckler-Platz die direkte Haltestelle hinter dem Friesenplatz ist, wo die Linie 5 durch muss Richtung Ossendorf.
Zeitlich wurde es jetzt wirklich eng, obwohl ich zum ersten Einsatz extra frühzeitig das Haus verlassen hatte. Die einzige Genugtuung die ich fühlte war, dass wenn ich die Linie 4 schon vom Wiener Platz aus, auf ihrem langen Weg über die Severinsbrücke und Poststraße, bzw. Appellhofplatz, genommen hätte, diese jetzt auch im Bereich Hans-Böckler-Platz stecken würde.
Ich erinnerte mich an die schönen Tage und oft auch Nächte in Ehrenfeld, wo ich eine Zeit lang als junger Mann gewohnt habe. Wie ein solcher raste ich da jetzt rücksichtslos durch, nachdem ich das Rad die Treppen am Friesenplatz wieder hoch bugsiert hatte, über die Innere Kanalstraße, kreuzte die Moschee, in die Venloer Straße hinein und schockte alle anderen Verkehrsteilnehmer. Dann wie bei der Tour de Cologne unter Doping weiter hinter dem Verfassungsschutz die Leostraße lang. Dort kannte ich mich Gott sei Dank noch gut aus und hatte dadurch einen kleinen Zeitvorteil erreicht. Mit dem Taxi würde ich es von hier aus auf jeden Fall schaffen. Ihr zahlt ja nicht schlecht. Aber sich gleich ein Taxi davon leisten?
Angekommen an der Haltestelle Gutenbergstraße, die hinter dem Störungsbereich liegt, stand da immer noch: „Technische Störung im Bereich Hans-Böckler-Platz“. Meine Hoffnung, dass vielleicht hinter dem gestörten Bereich Bahnen eingesetzt würden hatte sich leider nicht erfüllt. Das mit dem Bereich fiel mir erst jetzt auf und dachte, „was für einen Bereich meinen die denn“? Und ist das wichtig? Und auf einmal, wie ein Wunder, kam nach wenigen Sekunden die Meldung: „Störung im Bereich Hans-Böckler-Platz behoben“. In 8 Minuten sollte eine Linie 5 kommen. Ja, es könnte noch klappen!
Da fiel mir wieder Ali mit seinem „Kommt-Vielleicht-Bald“ ein. Egal, in freudiger Erwartung schloss ich das Fahrrad an der Gutenbergstraße ab, in der Gewissheit, dass der Rücktransport mich weitere € 3 kosten würde.
Vor ein paar Jahren konnte ich in Barcelona mit einem 10er Ticket zusammen mit meinem Nachbarn Olaf die halbe Costa Brava für 99 Cent rauf- und für 99 Cent wieder runterfahren. Was hatten wir für einen Spaß! Oder auch letztens in Heidelberg war es ausdrücklich erwünscht, dass die Klappsitze von Passagieren nur dann benutzt werden sollten, wenn der Platz nicht für Fahrräder, Kinderwagen, Rollstühle, etc. gebraucht würde. Da ist außen ein großes Fahrradsymbol auf dem Abteil des Wagens, wo man sein Fahrrad während der Fahrt kostenlos abstellen und mit einem Gummigurt auch noch sichern kann, egal wie weit man fahren will.
Das sind einfache Maßnahmen zum Beginn einer Verkehrswende!
In Luxembourg werden die Gebühren für den ÖPNV nächstes Jahr einfach abgeschafft.
Hier mit den KVB zahle ich bei jeder technischen Störung € 3 auf den ohnehin schon unglaublichen Fahrpreis obendrauf, weil man ohne Fahrrad nirgendwo ankommt. Es sei denn, ich möchte zu Fuß durch „Kölle jon“.
Ältere Kölner sagen gerne: „KVB? – Kölner-Verbrecher-Bande“. Bis jetzt schien mir diese Auslegung der Abkürzung KVB etwas übertrieben. Obwohl ich letztens im WDR-Fernsehen einen Vorstand der KVB im Interview gesehen und gehört habe, der meinte: „ich habe ja das Privileg zu Fuß zur Arbeit gehen zu können, weil ich mir eine Wohnung in der Nähe gesucht habe.“ Na, der hat mit seinem im Bundesdurchschnitt üppigen Gehalt, was Vorstandsposten in öffentlichen Verkehrsbetrieben angeht, alles richtig gemacht.
Könnte man die irrlichternden und desorientierten Autofahrer die so oft auf den oberirdischen Gleisen der KVB zum stehen kommen nicht durch eine Leitplanke, so wie auf der Autobahn, an brenzligen Bereichen davon abhalten? Da würden dann auch keine Bekloppten mit dem Blick aufs Smartphone unkontrolliert irgendwo auf die Gleise laufen. Bist du schon mal mit dem Knie gegen ein Geländer aus Eisen gelaufen? Das bleibt in Erinnerung.
Nach 16 Minuten, nicht 8 wie versprochen kam tatsächlich eine Linie 5 Richtung Ossendorf. Heureka! 10 Minuten noch bis zur Ankunft der Crew im Sendestudio. Jetzt aber mal los Linie 5!
Zögerlich begann die Fahrt. Nach einigen für mich unerklärlichen Stopps auf den ersten paar Metern bis zur nahen Liebigstraße sind nicht nur gefühlt die ersten 5 Minuten vorbei. Eine halbe Ewigkeit dauert dann die Überwindung der Kreuzung Subbelratherstr./Gürtel keine 50 Meter weiter. Verdammt, wieso hat eine Bahn nicht Vorfahrt an dieser Stelle! Es war ungeheuer heiß in dem stehenden Blechkasten. Ich fing schon wieder an zu schwitzen. Mit dem Fahrrad hätte ich es vielleicht noch rechtzeitig geschafft, nur den Weg zum Sendestudio nie gefunden. Den hätte ich mir vorher zuhause besser mal genau angeschaut. Mit dem Handy hätte ich sicherlich Hinweise bekommen – GPS oder Maps. Dafür wäre allerdings wieder wertvolle Zeit ins Land – oder besser gesagt in diese mittlerweile verkommene Stadt gegangen. Ich wusste nur, dass die Bahn, in der ich stand jetzt unbedingt so schnell wie möglich bis zur Endhaltestelle quasi fliegen müsste. Endlich, die Linie 5 erreichte die Nussbaumer Straße. Da wollte ich doch von Anfang an mit der Linie 13 hin – reguläre Fahrtzeit: 15 Minuten vom Wiener Platz.
Was ich nicht so ganz auf dem Schirm hatte, nachdem ich endlich an der Endhaltestelle in Ossendorf angekommen war, ist die schiere Endlosigkeit des Sendegeländes. Beim ersten Mal ist es halt immer ein wenig komplizierter. Die letzten Minuten bis zum vereinbarten Soundcheck verliefen im Laufschritt. Dann habe ich doch den Eingang gefunden.
Euer Aufzug ist ja modern, aber in meinem Fall war er trotzdem zu langsam. Die Empfangsdame habe ich mit einem unfreundlichen kurzen Nicken und mit dem Kinn, das nach vorne zum Senderaum zeigte, begrüßt. Bitte Entschuldigung dafür. Ja und dann folgte wie schon erwähnt der Kommentar unseres Bildmischers, „die KVB, das sagen alle die zu spät kommen“. Vielleicht lerne ich ihn ja auf der geplanten Grillparty demnächst kennen und erklär ihm alles. Aber nein, lieber nicht. Will mir nicht noch eine Blöße geben. Oder was meinst Du? Kennst Du ihn persönlich? Ach, alles wegen den KVB.
Vor zwei Tagen übrigens, traf ich meinen Kumpel Matthes im Limes in Mülheim beim Kickern. Da habe ich ihm irgendwann an der Theke diese Geschichte in aller Kürze erzählt. Nach noch nicht einmal zwei Minuten meinte er mit bemitleidenswerter Miene: „Ja klar, die KVB: Kölner-Verkehrs-Behinderung“.
Ich frage mich wie es sein kann, dass die Kölner Bürger – trotz einer wehrhaften, über tausendjährigen Geschichte – so tolerant geworden sind, dass sie alles scheinbar teilnahmslos und ohne Gegenwehr jeden Tag hinnehmen. Es wird gemurrt, das ist alles. Wer jetzt wirklich für den Einsturz vom Stadtarchiv verantwortlich ist? Wer weiß es.
Den Weg nach Ossendorf mit dem Fahrrad habe ich jetzt nachgeschaut und meine liebe Fahrradmaus Freundin Tina hat mir noch ein paar Tipps für Abkürzungen gegeben. Das wird jetzt jedes Mal ein langer, strammer Ritt. Aber ich werde pünktlich sein. Wenn ich frühzeitig losfahre, komme ich entspannt und nicht so verschwitzt an, zumindest ohne Stress-Schweiß. Der stinkt nämlich mindestens zehnmal so schlimm wie Normaler. Das hat doch jeder im Senderaum gerochen, schon als ich reinkam!
Sorry nochmal. Es hat sich wirklich alles so zugetragen.
Danke, dass ihr bei SPORTTOTAL so seelenruhig seid und mich für die Spiele in Zukunft eingeplant habt, trotz dieser Premiere. Beim nächsten Mal kriege ich die Tonmischung bestimmt zehnmal besser hin, wenn ich nicht so am Arsch ankomme.
Es war einfach (K)ein (V)erbindliches (B)eförderungsangebot. Da geht noch was.
Herzliche Grüße,
Bernhard